Mittwoch, 18. Oktober 2006

Mein Lied zum Weg

... Musik ist ja was wichtiges, aber trotz Handy mit MP3-Player-Funktion habe ich mich pilgergerecht zurückgehalten und nur bescheidene zwei mal beim Wandern die Ohrhörer aufgesetzt. Einmal beim stundenlangen öden Einwandern nach Burgos über Asphaltstraßen durch dreckige Industriegebiete, quasi als Versüßung, und ein weiteres Mal auf dem flachen Hochplateau einer Meseta als ich tief in Gedanken versunken war und plötzlich merkte, jetzt müsste ich in paar Lieder hören, die ich extra mitgenommen hatte: meine Auswahl von 7 Liedern der "Fantastischen Vier", alle mit in meinen Augen recht philosophischen Inhalten, passte in diesem Moment so gut zu meiner Stimmung, dass es mich sehr tief berührte - sie schienen genau für mich und meine Situation verfasst zu sein - unglaublich.

Am nächsten Tag begann ich beim Bedürfnis nach Musik, schließlich selbst vor mich hinzudichten und was dabei herauskam, möchte ich an dieser Stelle einmal vorstellen (zumindest den Text):


CAMINO

Der Weg - mein Weg - der führt mich fort,
er streckt sich in die Ferne.
Er führt an einen anderen Ort,
er heißt: "Straße der Sterne"
Geht er ins Nichts, führt er nachhaus?
ich weis es nicht zu sagen.
Ich geh nur einfach geradeaus
soweit die Füsse tragen.

Seh ich mein Ziel im Finstren nicht,
geht Gott doch stehts daneben
im dunklen Tal ist er mein Licht
und schützt mein kleines Leben.
Im kalten Wind, in Sonnenglut,
im Nebel und im Regen:
ein gelber Stern, der gibt mir Mut
mich vorwarts zu bewegen.

Doch regen oft die Zweifel sich
warum ich mich so schinde.
Ob denn auf diesem Wege ich
wohl selber zu mir finde.
Wer glaub´ ich denn könnte ich sein
wenn ich mich wirklich fände?
Hätt´ dann fuer alle Zeiten mein
Gesuche wohl sein Ende?

Doch ist der Weg gleichwohl das Ziel,
und ich will ihn bestehen.
Noch hunderte von Meilen, viel
hab ich vor mir zu gehen.
Bin ich erst da, zuhaus zurück,
nach dem ich sehn´ und strebe
sag ich, es ist ein großes Glück:
dank Gott, dass ich so lebe!

(am 23.9.2006 von MiO auf dem Weg nach Fromista)

Epilog Jakobsweg

Eine anstrengende Rückreise liegt hinter mir: 36 Stunden Busfahren ist nur was für Menschen, die keine Ansprüche stellen und in erleuchtetem Schweigen in sich ruhen können.
Für alle andere ist es eine ziemliche Strapaze: zunächst fährt der Bus nicht wie naiv angenommen Richtung Ziel, sondern macht hunderte von Kilometern Umweg, um fast bis nach Portugal hier und dort ein paar Fahrgäste aufzusammeln. Zwischendurch wird irgendwo in einem Kaff eine Stunde Mittagspause bei einem Restaurant eingelegt (das wahrscheinlich der Schwager des Busfahrers betreibt). Es besteht genug Zeit, noch einmal die spanische Landschaft mit ihren in diesem Jahr heruntergebrannten Wäldern zu betrachten (als ob ich davon nicht schon genug gesehen hätte). Obwohl die Umgebung hier und dort recht reizvoll erscheint, merke ich, dass ich es mir mittlerweile gar nicht mehr vorstellen möchte, hier und jetzt noch zu wandern.
Erst nach 12 Stunden Herumgurkerei in Spanien und einem chaotischen Buswechsel an einem Rastplatz gehts wirklich in die richtige Richtung. (Der Umstieg: Die Busfahrer öffnen den Kofferraum und gehen eine Rauchen: alle Fahrgäste stürzen auf ihr Gepäck und reißen es wieder an sich, eilen zum Umsteigebus und stopfen es wieder in den Kofferraum, mittlerweile z.T. fluchend, weils eben chaotisch ist. Danach flucht der Busfahrer weils zu chaotisch ist und befiehlt alles wieder rauszunehmen. Die Fahrgäste fluchen und nehmen ihre Koffer wieder an sich und bringen sie nun unter Anleitung des Fahrers halbwegs ordentlich im Bus unter. Wer gerade so wie ich von einem 900-km-Spaziergang heimfährt kann so einer menschgemachten Hektik nur milde lächelnd beiwohnen ohne sich anstecken zu lassen.)
Noch liegen 24 Stunden Fahrtstrecke vor mir in einem größtenteils von Portugiesen und Spaniern vollbesetzten Reisebus - selbstverständlich genießt hier niemand den Luxus zwei nebeneinanderliegende Sitze für sich zu beanspruchen. Ziemlich gerädert komme ich am Samstagabend in Dortmund an (die letzten 30 km musste ich dem Busfahrer den Weg weisen, weil er weder über Navigationsgerät noch Karten verfügt und natürlich auch noch nie diese Strecke gefahren ist).

Jetzt, da ich wieder in vertrauter Umgebung wohne und all die Vorzüge eines Zuhauses bewusst genießen kann, ist es eine Herausvorderung, all das gedankliche Gepäck, das ich mitgebracht habe, so abzuladen, dass es mir auch weiterhin nützen kann. Auch müssen rund 1300 Fotos gesichtet werden, ehe ich eine Auswahl treffe, die ich mal ins Netz stelle.
Ich bin sicher, dass die Spuren vieler Eindrücke der vergangenen Wochen mir erst im Nachhinein deutlich werden: in den Nächten seit meiner Rückkehr kommen in meinen Träumen stets lange Wege vor auf denen ich mich befinde.
... ich hoffe, dass ich wieder gut im Alltag ankomme.

mio in space

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