Jakobsweg
Etwa 1300 Fotos, die ich von meinem Web mit Nachhause gebracht habe, wollten erst einmal sortiert und geordnet sein, daher hat die Erstellung meiner Bildergalerie zum Jakobsweg einige Zeit in Anspruch genommen. Außerdem wollte ich die Bilder nicht unkommentiert aneinanderreihen, daher habe ich zu jedem Motiv noch ein oder mehrere Sätze geschrieben. Für alle, die sich dafür interessieren, sich ein Bild vom Camino zu machen empfehle ich den Besuch von folgendem Link:
Die Fotogalerie zum Jakobsweg
ubc.mio - 10. Nov, 23:38
Hier kommt mein etwas überfälliger Nachtrag zu meiner Rückkehr:
Zwei freie Wochen habe ich seit der Abreise aus Santiago noch zuhause verbringen dürfen, in denen ich festgestellte, dass dank der Entschleunigung, die ich in den zurückliegenden Monaten und vor allem unterwegs auf dem Weg erlebt habe, es erst allmählich wieder möglich ist, sich einem Alltagszeitplan auszusetzen ohne direkt von einem gestressten Gefühl begleitet zu werden. Als es mir zwischendurch etwas zuviel wurde, bin ich einfach nach draußen gegangen und wanderte für ne halbe Stunde auf schnurgeradem Feldweg auf den Horizont zu und ruckzuck kam die Ruhe und Ausgeglichenheit der Tage auf dem Camino zurück.
Nun habe ich zusätzlich bereits meine erste Arbeitswoche wieder hinter mich gebracht, die wieder ein gerüttelt Maß an Zeitdruck bereithielt. Ich muss aber sagen, dass ich inzwischen wieder genug im hier und jetzt angekommen bin, dass alles wieder in seinen normalen Bahnen läuft - einschließlich Zeitknappheit, so dass ich noch immer nicht die Bildergalerie zum Weg anbieten kann (ich arbeite aber daran).
Zwei Bücher - Hape Kerkelings Jakobswegbuch und das Buch eines Briten namens Tim Moore, der mit einem Esel den Camino ging - habe ich jetzt nach meiner Reise gelesen und konnte es durch die Vergleiche mit den eigenen Erfahrungen besonders genießen. Ausführliche Reiseschilderungen meinerseits bei Freunden und Kollegen stehen bislang mangels passender Gelegeneiten noch aus...
ubc.mio - 5. Nov, 13:38
... Musik ist ja was wichtiges, aber trotz Handy mit MP3-Player-Funktion habe ich mich pilgergerecht zurückgehalten und nur bescheidene zwei mal beim Wandern die Ohrhörer aufgesetzt. Einmal beim stundenlangen öden Einwandern nach Burgos über Asphaltstraßen durch dreckige Industriegebiete, quasi als Versüßung, und ein weiteres Mal auf dem flachen Hochplateau einer Meseta als ich tief in Gedanken versunken war und plötzlich merkte, jetzt müsste ich in paar Lieder hören, die ich extra mitgenommen hatte: meine Auswahl von 7 Liedern der "Fantastischen Vier", alle mit in meinen Augen recht philosophischen Inhalten, passte in diesem Moment so gut zu meiner Stimmung, dass es mich sehr tief berührte - sie schienen genau für mich und meine Situation verfasst zu sein - unglaublich.
Am nächsten Tag begann ich beim Bedürfnis nach Musik, schließlich selbst vor mich hinzudichten und was dabei herauskam, möchte ich an dieser Stelle einmal vorstellen (zumindest den Text):
CAMINO
Der Weg - mein Weg - der führt mich fort,
er streckt sich in die Ferne.
Er führt an einen anderen Ort,
er heißt: "Straße der Sterne"
Geht er ins Nichts, führt er nachhaus?
ich weis es nicht zu sagen.
Ich geh nur einfach geradeaus
soweit die Füsse tragen.
Seh ich mein Ziel im Finstren nicht,
geht Gott doch stehts daneben
im dunklen Tal ist er mein Licht
und schützt mein kleines Leben.
Im kalten Wind, in Sonnenglut,
im Nebel und im Regen:
ein gelber Stern, der gibt mir Mut
mich vorwarts zu bewegen.
Doch regen oft die Zweifel sich
warum ich mich so schinde.
Ob denn auf diesem Wege ich
wohl selber zu mir finde.
Wer glaub´ ich denn könnte ich sein
wenn ich mich wirklich fände?
Hätt´ dann fuer alle Zeiten mein
Gesuche wohl sein Ende?
Doch ist der Weg gleichwohl das Ziel,
und ich will ihn bestehen.
Noch hunderte von Meilen, viel
hab ich vor mir zu gehen.
Bin ich erst da, zuhaus zurück,
nach dem ich sehn´ und strebe
sag ich, es ist ein großes Glück:
dank Gott, dass ich so lebe!
(am 23.9.2006 von MiO auf dem Weg nach Fromista)
ubc.mio - 18. Okt, 11:26
Eine anstrengende Rückreise liegt hinter mir: 36 Stunden Busfahren ist nur was für Menschen, die keine Ansprüche stellen und in erleuchtetem Schweigen in sich ruhen können.
Für alle andere ist es eine ziemliche Strapaze: zunächst fährt der Bus nicht wie naiv angenommen Richtung Ziel, sondern macht hunderte von Kilometern Umweg, um fast bis nach Portugal hier und dort ein paar Fahrgäste aufzusammeln. Zwischendurch wird irgendwo in einem Kaff eine Stunde Mittagspause bei einem Restaurant eingelegt (das wahrscheinlich der Schwager des Busfahrers betreibt). Es besteht genug Zeit, noch einmal die spanische Landschaft mit ihren in diesem Jahr heruntergebrannten Wäldern zu betrachten (als ob ich davon nicht schon genug gesehen hätte). Obwohl die Umgebung hier und dort recht reizvoll erscheint, merke ich, dass ich es mir mittlerweile gar nicht mehr vorstellen möchte, hier und jetzt noch zu wandern.
Erst nach 12 Stunden Herumgurkerei in Spanien und einem chaotischen Buswechsel an einem Rastplatz gehts wirklich in die richtige Richtung. (Der Umstieg: Die Busfahrer öffnen den Kofferraum und gehen eine Rauchen: alle Fahrgäste stürzen auf ihr Gepäck und reißen es wieder an sich, eilen zum Umsteigebus und stopfen es wieder in den Kofferraum, mittlerweile z.T. fluchend, weils eben chaotisch ist. Danach flucht der Busfahrer weils zu chaotisch ist und befiehlt alles wieder rauszunehmen. Die Fahrgäste fluchen und nehmen ihre Koffer wieder an sich und bringen sie nun unter Anleitung des Fahrers halbwegs ordentlich im Bus unter. Wer gerade so wie ich von einem 900-km-Spaziergang heimfährt kann so einer menschgemachten Hektik nur milde lächelnd beiwohnen ohne sich anstecken zu lassen.)
Noch liegen 24 Stunden Fahrtstrecke vor mir in einem größtenteils von Portugiesen und Spaniern vollbesetzten Reisebus - selbstverständlich genießt hier niemand den Luxus zwei nebeneinanderliegende Sitze für sich zu beanspruchen. Ziemlich gerädert komme ich am Samstagabend in Dortmund an (die letzten 30 km musste ich dem Busfahrer den Weg weisen, weil er weder über Navigationsgerät noch Karten verfügt und natürlich auch noch nie diese Strecke gefahren ist).
Jetzt, da ich wieder in vertrauter Umgebung wohne und all die Vorzüge eines Zuhauses bewusst genießen kann, ist es eine Herausvorderung, all das gedankliche Gepäck, das ich mitgebracht habe, so abzuladen, dass es mir auch weiterhin nützen kann. Auch müssen rund 1300 Fotos gesichtet werden, ehe ich eine Auswahl treffe, die ich mal ins Netz stelle.
Ich bin sicher, dass die Spuren vieler Eindrücke der vergangenen Wochen mir erst im Nachhinein deutlich werden: in den Nächten seit meiner Rückkehr kommen in meinen Träumen stets lange Wege vor auf denen ich mich befinde.
... ich hoffe, dass ich wieder gut im Alltag ankomme.
ubc.mio - 18. Okt, 11:17
Nun bin ich wirklich am Ende - und sehr zufrieden und gluecklich! Eben habe ich einem perfekten Sonnenuntergang ueber dem Atlantik beiwohnen koennen... beobachtet vom Kap Finisterra aus, das angeblich den westlichsten Punkt Europas darstellt. Hier gehts fuer den fleissigen Pilger nun wirklich nicht mehr weiter: nur noch tausende Kilometer offener Ozean -fuer den mittelalterlichen Pilger wahrlich das Ende der Welt.
Aber zugegeben: heute, am letzten Tag der Reise habe ich noch ein kleines bisschen gemogelt. Nachdem wir gestern durch immer staerker werdenden Regen gewandert sind, um ziemlich durchnaesst in einer kleinen Herberge zu uebernachten in der es nicht moeglich war wieder trocken zu werden und es heute Morgen immer noch regnete, lies ich mich von der Aussage der Hospitaliera etwas beeinflussen: einerseits, sagte sie, gaebe es auf der naechsten Etappe (noch 35 km - puh, nochmal richtig weit!) einen Bach der nach Regenfaellen wahrscheinlich nicht passierbar waere, andererseits faehrt Morgens ein Bus in die naechste Stadt.
Wie viele andere auch, nahm ich also diesen Bus, ueberbrueckte dadurch die Haelfte der heutigen Strecke und wanderte den ziemlich gemuetlichen Rest im endlich wieder beginnenden Sonnenschein. So bin ich zwar auf den letzten Metern dem Pilgern etwas untreu geworden, aber das habe ich mir guten Gewissens zugestanden.
Dafuer gabs noch eine ausfuehrliche Wanderung vom Ort Fisterra auf die Halbinsel mit dem Kap wo ich mich fuer den Rest des Tages auf das Ende der Pilgerfahrt eingestimmt habe.
Ab Morgen gehts dann wieder zurueck: erst noch fuer eine Nacht nach Santiago und schliesslich in den Bus nach Dortmund... so schoen diese Reise auch war - jetzt freue ich mich sehr auf zuhause!
ubc.mio - 11. Okt, 21:41
Es ist geschafft: heute frueh bin ich in die heilige Stadt Galiziens eingelaufen und habe mittlerweile die wichtigsten Stationen hinter mich gebracht: Zugegeben, die letzten fuenf Kilometer waren keine grosse Wanderherausforderung mehr. Als ich in die Naehe des Stadtzentrums kam fragte ich mich etwas ernuechtert, warum ich gar nichts besonderes dabei fuehle, nun endlich in Santiago angekommen zu sein... sobald ich allerdings den grossen Platz vor der Kathedrale betrat, war ich von diesem Eindruck ueberwaeltigt und musste einige Zeit innehalten und alles auf mich wirken lassen... nach all den Wochen, die der Weg hierhin gedauert hat, nach all den Kraftanstrengungen und dem Bemuehen war es doch etwas Besonderes, nun diese Kirche vor sich zu sehen.
Sobald ich mich wieder gefasst hatte, ging es also hinein und das sieht fuer den Pilger folgendermassen aus: Zunaechst gibt es hinter dem Eingang eine Saeule auf der eine Jesusfigur thront. Am Fuss der Saeule hat sich im Laufe der Jahrhunderte ein Handabdruck gebildet, denn jeder Pilger legt dort bei seiner Ankunft seine Hand auf die Saeule. Und natuerlich besucht man den Schrein des Jakobus, der unter dem Hochaltar zu sehen ist. Teile der Jakobusreliquien befinden sich auch in einer reich verzierten Bueste auf dem Hochaltar zu der man ueber eine rueckwaertige Treppe gelangt. Diese Figur wird ebenfalls von den meisten Pilgern umarmt.
Schliesslich kann man sich im Pilgerbuero neben der Kathedrale noch die Compostela geben lassen: die Bestaetigung (natuerlich in kirchengerechtem Latein verfasst), dass man den Weg nach Santiago als Pilger zurueckgelegt hat. Dafuer sind die regelmaessig gestempelten Pilgerausweise vorzulegen - um eine Compostela zu erhalten, muss man mittlerweile allerdings lediglich die letzten 100 km als Fusspilger nach Santiago zurueckgelegt haben. Naja, das ist eher so ein Ausflug fuer ein verlaengertes Wochenende, denkt man sich, wenn man die 850 km durch ganz Nordspanien hinter sich gebracht hat.
Jetzt folgt fuer mich ein Wochenende der Entspannung: die Stadt besichtigen, Spanisches Essen geniessen, am Sonntagmittag die feierliche Pilgermesse besuchen. Gemeinsam mit Mitpilger Hirata aus Japan habe ich ein guenstiges Hostelzimmer bezogen und gemeinsam wollen wir am Montag zu unserer Kuer ansetzen und noch fuer drei Tage weiter Richtung Meer, zum Kap Finisterrae wandern. Aber zu diesem Vorhaben muss ich nun selber erst noch mal ein paar Informationen einholen.
ubc.mio - 7. Okt, 16:52
Puh, das war heute ein anstrengender Tag... und Schuld daran war nicht etwa der Weg sondern das Wetter. Dieses war fuer Galizien angeblich recht typisch: es regnete - und das ausgiebig und den ganzen Tag. So viel Wasser habe ich auf meinem bisherigen Weg nicht erlebt und trotz guten Regenschutzes bin ich doch sehr aufgeweicht am Nachmittag auf dem Monte de Gozo angekommen, dem letzten Berg vor der heiligen Stadt Santiago von dem man bereits hinunter zur Kathedrale sehen kann. Normalerweise. Heute aber liegt grauer Nebel ueber dem nassen Land und es regnet und regnet und regnet. Der Berg soll auch "Berg der Freude" genannt werden, weil die ankommenden Pilger in Freude ausbrechen sobald sie dem endlich naheliegenden Ziel ansichtig werden. Hier wuschen sich die Pilger, um unten in der Stadt die Kathedrale halbwegs ordentlich betreten zu koennen.
Gewaschen fuehlte ich mich bereits bei meiner Ankunft hier durch den stroemenden Regen... aber ich hoffe auf die Wettervorhersage, die ab Morgen Besserung versprochen hat. Und dann werde ich die letzten fuenf Kilometer bis zur Stadt im Hopserlauf und im Sonnenschein zuruecklegen, Bruder Jakob die alten Haende schuetteln und ihn zu einer Portion Muscheln in die naechste Bar einladen... so ungefaehr jedenfalls und wenn halt das Wetter mitspielt.
Habe jetzt uebrigens auch meine Heimreise festlegen koennen: dazu musste ich eine Telefonnummer hier in Spanien anrufen, um das Datum meiner Rueckfahrt durchzugeben. , Nun besetzt so ein spanisches Unternehmen diese Hotline, die vor allem von auslaendischen Reisenden angerufen wird nicht etwa mit jemanden, der Fremdsprachenkenntnisse haette - weit gefehlt. Mein Versuch, der Dame auf Englisch zu erklaeren, was ich wollte, scheiterte klaeglich und so konnte ich erst mithilfe eines spanischen Mitpilgers sicherstellen, dass ich auch irgendwie wieder nachhause gelangen kann.
Bis dahin sind allerdings noch einige Tage Zeit, denen ich gespannt entgegensehe...
ubc.mio - 6. Okt, 18:55
Ach ja, und dann hatte ich heute frueh noch folgendes Erlebnis:
Als zwei Maedels aus Deutschland gestern Abend in die Herberge kamen, wurden sie verfolgt: beinahe schon den ganzen Tag, so sagten sie, sei ihnen ein Hund hinterhergelaufen und haette scheinbar nach Futter gebettelt. Zunaechst haetten sie ihm nichts gegeben, als er aber anfing Kuhscheisse vom Weg zu fressen, hatte sich eine von ihnen erbarmt und ihn gefuettert.
(...als ob, wie ich inzwischen weis, nicht jeder Hund mal gerne´n Bissen Scheisse zwischendurch kaut) ... Jetzt lief der Hund ihnen also erst recht nach.
Den ganzen Abend stand er vor der Herberge. Als wir mit mehreren Pilgern gemeinsam in die naechste Bar gingen, lief er nach und winselte anschliessend vor der Bartuer herum.
Und offenbar blieb er spaeter die ganze Nacht hindurch weiter vor der Herberge...
Ich war einer der ersten, die am Morgen das Haus verliessen und da stand das Tier immer noch: eine kleine weisse Huendin mit kurzen Beinen und grossen Augen.
Naja, dachte ich, hat das treue Tier also tatsaechlich auf die beiden Maedels gewartet...
Aber nach wenigen Schritten merkte ich, dass nun ich einen Begleiter hatte. Erst einmal fand ich es ganz nett auf dem noch daemmrigen Weg durch Wald und Feld jemanden an meiner Seite zu haben, aber dann war mir recht bald klar, dass ich nicht den ganzen Tag von einem Hund begleitet werden wollte (vor allem von einem der es vielleicht auf mein Essen abgesehen hat wie bereits ein grosser Schaeferhund am Vortag, der vorwitzigerweise bei einer meiner Pausen herangetrabt war um seine Nase in alle erreichbaren Winkel meines Rucksacks zu schieben.)
Also ignorierte ich den Hund, dem ich im Geiste bereits den Namen "Rena" gegeben hatte, erst einmal. Aber das reichte natuerlich nicht, sie loszuwerden - und das wollte ich jetzt allmaehlich.
Ich versuchte sie abzuhaengen, indem ich ueber eine der kleinen Steinmauern sprang, die hier in Galizien die Wiesen voneinander trennen, aber trotz ihrer kurzen Beine war sie rasch hinterhergehuepft. Etwas weiter gab es eine wesentlich hoehere Mauer: ich musste meinen Rucksack absetzen, um ueberhaupt selber darueber zu kommen und auf der anderen Seite ging es noch etwas tiefer hinab. Zunaechst sah Rena neugierig zu, wie ich auf der anderen Seite durchs nasse Gras davonging, dann folgte sie tatsaechlich. Ich ging also schnell zurueck, kletterte wieder ueber die von dieser Seite noch hoehere Mauer, doch noch ehe ich drueben war, hatte auch Rena das Hindernis bereits wieder ueberwunden. Meine Fuesse waren nass und ich merkte, dass ich so nicht weiterkam.
Naechste Idee: in einem kleinen Oertchen am Weg ging ich in eine Hauseinfahrt mit offenem Tor, der Hund hinterher, ich wieder schnell raus und Tor zu! Ha, eingesperrt, dachte ich und ging schon siegessicher davon - aber das Tor war nicht zu verriegeln und im Nu hatte Rena es aufgeschoben. Die Idee war aber trotzdem gut, nur schlecht in der Ausfuehrung, also versuchte ich es abermals an einem anderen Tor zu einer Wiese: ich hinein, Hund auch, ich raus, Tor zu! Ha! Aber dieses Mal zeigte sich, dass der Hund schmal genug war, um sich zwischen den Gitterstaeben des Tors hindurchzuquetschen.
Ein letzter Versuch, ein anderes Tor, dieses mal Blech ohne Durchlaesse: Ich rein, Hund rein, ich raus, Tuer zu, verriegeln, und schnell weiter. Zweihundert Meter Weg lang freute ich mich ueber meinen Erfolg, dann tippelte ein weisser Hund, der wahrscheinlich einen neuen Ausweg gefunden hatte wieder als mein Schatten hinterdrein.
Ich versuchte es mit der boesen Methode: ich knurrte sie an - sie guckte verwirrt. Ich fuchtelte zusaetzlich mit meinen Wanderstoecken in der Luft herum - sie nahm etwas mehr Abstand ein, ging aber brav hinterdrein. Ich sprang herum und machte Laerm dazu. Sie hatte zwar Respekt, lies aber nicht von mir ab.
Schliesslich erreichte ich das naechste Staedtchen und musste akzeptieren, dass sie hinter mir her in der Mitte der Strasse hineinlief und die Autos ihr zuhupten.
Schliesslich an der Kirche des Ortes meine Rettung: eine Gruppe deutscher Touristen sahen den Hund und begannen zu locken wie es manche Menschen scheinbar staendig bei Tieren machen muessen. Ich entfernte mich rasch... und blieb Hundefrei!
Rena hatte offenbar neue Herrchen gefunden!
ubc.mio - 4. Okt, 19:02
Heute bin ich in "Palas del Rey" und dieser Ort liegt bei etwa Kilometer 65 vor Santiago. Die Kilometermarkierungen stehen wie ein versteinerter Countdown am Wegesrand und scheinen den Pilger jetzt erst recht voranzuziehen - das Ziel scheint so nahe.
Ich allerdings werde versuchen meine Reise ein kleines bisschen zu entschleunigen, noch habe ich etwas Zeit bevor ich naechste Woche endlich einmal wieder in ein modernes Gefaehrt namens "Bus" zur Ueberwindung laengerer Distanzen steige und meine Heimfahrt antrete.
Ausserdem muss Santiago nicht das einzige Ziel bleiben: Heute habe ich mich so gut wie entschieden, die verbleibenden Kilometer bis ans "Ende der Welt" nach Fisterra ebenfalls zu laufen, auch wenn in diesen Teilen Galiziens nach den grossen Waldbraenden vom August nun auch noch ziemliche Unwetter ueber das Land hinweggezogen sind. Drei weitere Tage werde ich dann vorraussichtlich unterwegs sein...
ubc.mio - 4. Okt, 18:52
... bin ich fern meiner Heimat. Eigentlich ziemlich egal, denn ich bin - wie wahrscheinlich viele andere Deutsche ebenfalls - nicht besonders patriotisch eingestellt. Bei den Spaniern sieht es schon anders aus: da ist es sogar besonders wichtig aus welcher Region man kommt. (Nebenbei: interessanterweise gibt es hier viele Graffitis bei denen man Hakenkreuze sehen kann - haeufiger jedoch durchgestrichene Hakenkreuze mit der Aufschrift "NO NAZIS" - ich bin ueberrascht, denn ich dachte Rechtsradikalismus sei eher ein deutsches Problem?!)
Gestern bin ich ueber die Grenze zu Galizien gewandert und siehe da: andere Sprache, andere Bauweise der Haeuser etc. - es scheint ein ganz neues Land zu sein. Viel rauher scheint es hier zu sein: nebelumwehte Berge, enge Taeler, einsame Bauerndoerfer mit vielen verlassenen und eingestuerzten Haeusern und tiefe Hohlwege durch die der Pilger im Halbdunkel stolpert. Ausserdem die regenreichste Gegend Spaniens wie ich selber erfahren konnte... Mit anderen Worten: die Strecke ist endlich mal wieder richtig schoen und abenteuerlich und in diesem Ueberschwang bin ich gestern knapp 40 Kilometer durch die Berge gelaufen (inklusiv ca. 750 Hoehenmeter rauf und wieder runter) - die letzten drei Stunden leider im Regen. Heute bin ich heilfroh, dass meine Fuesse das so problemlos mitgemacht haben und es unbeschwert weitergehen kann... dafuer lasse ich es mal wieder langsam angehen und mache sogar jetzt ne lange Mittagspause im Internetcafé von Sarria. Dann gehts munter noch etwas weiter... mal sehen was der Tag so bringt. Ich plane nie, wohin genau ich gehen will, sondern entscheide meist spontan. Heute waere es vielleicht gut, etwas langsamer zu gehen, wenn ich die netten Mitpilger der vergangenen Tage wieder zu Gesicht bekommen will.
Seit der Grenze zu Galizien stehen in 500m-Abstaenden bereits Kilometersteine auf denen die Distanz bis Santiago angegeben ist: mittlerweile ist diese auf ca.110 km geschrumpft - es macht sich allmaehlich Endspurt-Stimmung breit - aber ein paar Tage sind´s ja noch. Und dann noch die Frage: gehts nach Santiago weiter bis ans Ende der Welt, nach Finisterra?
ubc.mio - 3. Okt, 12:38